Website Personalisierung – Von Anfang an
Website Personalisierung – dieses Wort-Ungetüm ist nun schon seit einer ganzen Weile Teil unseres Marketing-Sprechs. Kein Wunder, gilt doch Personalisierung als wichtiger Erfolgsfaktor für Marketing und Sales. Doch was hat es damit eigentlich auf sich? Beginnen wir mal ziiiemlich weit vorn:
Das digitale Marketing hat einen tiefgreifenden Wandel vollzogen. Stärker als je zuvor steht heute der Kunde – stehen seine Wünsche, Neigungen, Sehnsüchte, Interessen – und nicht mehr so sehr das Unternehmen oder das Produkt – im Mittelpunkt aller Werbe- und Marketingmaßnahmen. Die Gründe dafür sind – von wegen “ganz vorn beginnen” – einigermaßen vielfältig. Für den Moment sollte es genügen anzuerkennen, dass es in Zeiten der vielzitierten Vergleichbarkeit von Services und Produkten sowie der oftmals angenommenen erhöhten Transparenz und gesteigerten verbraucherseitigen Skepsis Markenversprechen allein oft nicht mehr ausreichen, um eine loyale Kundschaft hervorzubringen. Ein kundenzentriertes, digitales Erlebnis muss her.
Das bedeutet, dass die Website (als einer von einer ganzen Reihe digitaler und analoger Kanäle) auf den User zugeschnitten sein muss, soll sie erfolgreich sein. Ob man dies nun Customer Centricity nennen möchte, User centered, kundenorientiert, oder wie auch immer, ist einigermaßen egal.
Maßgeschneiderte digitale Erlebnisse steigern den Interaktionswillen der User und somit letztlich die Konversion, das wurde hinlänglich festgestellt. U.a. hier, hier, hier und hier. Die ganz kurze Kurzfassung lautet also: Personalisierte Webseiten erhöhen den Umsatz. Auch im B2B übrigens.
Fein. Personalisieren wir also unsere Website.
Was benötigen wir dafür? Und wie funktioniert das eigentlich? Was sollte man bei der Personalisierung der digitalen Inhalte unbedingt beachten? Was und inwiefern lassen sich Inhalte überhaupt personalisieren? Und: Sind eigentlich alle Website-Projekte für eine Personalisierung geeignet?
Fangen wir mit der ersten Frage an: Was benötigen wir? Und bleiben erstmal auf den Ebenen der Theorie und der Methode, bevor wir die Ärmel hochrollen und uns in die Praxis stürzen.
Diese Dinge braucht man, um eine Website zu personalisieren
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Eine Hypothese
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Segmente (für den Anfang: zwei, sonst geht's nicht)
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Eine Plattform, die das ganze Vorhaben unterstützt
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Personalisierten Content (für aller-aller-mindestens zwei Segmente)
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Ein paar User-Daten
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Irgendeine Möglichkeit, den Erfolg (versuchen wir’s neutral: das Eintreffen der Hypothese) zu messen.
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Ein bisschen Content-Aufwand und Geduld. Und das Bewusstsein, was das bedeutet.
Klingt … ein bisschen arg allgemein? Stimmt. Werden wir ein bisschen konkreter (oder sprechen einfach gleich persönlich).
Die Anfangs-Hypothese
Als allererstes benötigen wir eine Hypothese, ein Ziel, wenn wir so wollen. Diese Hypothese sollte sich etwa so lesen, wie eine Antwort auf die Frage “was will ich mit dem Aufwand eigentlich bezwecken?”. Solche Hypothesen sind natürlich immer in Abhängigkeit zur gesamten Unternehmens-, Marketing- bzw. Sales-Strategie zu stellen. Typischerweise also so etwas wie: Website-Personalisierung soll die Konversionsrate der Website steigern. Oder: Website-Personalisierung kann den Vertriebsweg verkürzen.
Etwas konkretere Hypothesen
Es geht natürlich auch noch eine Ecke konkreter. Beispielsweise: Die Personalisierung der Überschrift zum Thema X für Segmente A und B führt dazu, dass die Klickrate auf den darunter liegenden Call-to-Action steigt. Für eine derart konkrete Hypothese müssen wir aber noch ein paar Schritte gehen und sehen, wie wir überhaupt Segmente definieren und wie wir ganz konkret unseren Content (wozu Überschriften schließlich gehören) personalisieren wollen.
Übrigens: Spätestens an dieser Stelle sollte man sich darüber Gedanken machen, wie Kommunikation und Marketing überhaupt zusammenhängen, bzw. welches von welchem abhängt.
Hypothesen sollten sich überprüfen, verifizieren oder widerlegen lassen. In einigen (ok, zugegeben: ziemlich vielen) Fällen kann man mit einem Bisschen Erfahrung und Grips auch schon von der Hypothese her merken, ob etwas grundlegend schief läuft.
Ein Beispiel für eine schlechte Hypothese könnte sein: Durch Personalisierung des Website-Content erhöhen wir die Zeit, die Leute auf der Seite verbringen, vielleicht aber auch nicht. Natürlich trifft die Bauernregel, nach der sich das Wetter ändert oder gleich bleibt, wenn der Hahn kräht, immer zu. Das ist zwar irgendwie beruhigend zu wissen bringt uns aber ansonsten nicht weiter. Die Bauernregel kommt dabei übrigens für lau. Das Ausprobieren einer schlechten Hypothese kann – mit ein bisschen Zeit – hingegen recht teuer werden. Das lassen wir lieber.
Eine Personalisierungs-Plattform, die das ganze Vorhaben unterstützt
Um mit Website-Personalisierung zu beginnen, benötigen wir eine Plattform, die das Vorhaben unterstützt. DXP-Suiten wie die Acquia Plattform auf Drupal-Basis oder Sitecore DXP bieten Content-Personalisierungs-Funktionen an, im Drupal-Umfeld mit Best-Of-Breed-Architekturen nutzt FFW vielfach erfolgreich Acquia Lift als Personalisierungs-Plattform, im Bereich eCommerce waren wir mit nosto erfolgreich – es gibt kein One-Fits-All. Je nach Anforderung und Branche kommen Tools von verschiedenen Anbietern in Frage.
Ein paar User-Daten
Starten wir mit einer Personalisierung, die auf der Heimatregion des Besuchers basiert. Warum? Weil einfach ist. Die User-IP bietet einen meist validen Anhaltspunkt und der zu personalisierende Content ist schnell entwickelt: Eine Headline, ein Slogan oder ein Header-Bild, das regionalen Bezug nimmt, ist schnell gemacht.
Welche Daten benötigen wir noch? Und woher bekommen wir sie? Abgesehen von der einfach klingenden, aber nicht super-schnell umzusetzenden regelbasierten Personalisierung, können wir auf Webforms zurückgreifen – beispielsweise, indem wir einen Content, von dem wir wissen, dass er gefragt ist, hinter einer Permission-Schranke ‘verstecken’ – also einem Formular, in dem wir ein paar User-Daten abfragen. Beispielsweise die Position des Users im jeweiligen Unternehmen, oder die Unternehmensgröße. Dies hilft uns Segmente zu bilden, die zum Beispiel zwischen A-, B- und C-Kunden und deren Interesse zu unterscheiden.
Diese Strategie ist immer mit ein bisschen Vorsicht zu genießen: Wird das Formular zu lang, fragen sich User, ob der Content es Wert sei, diese Daten einzutragen. Manche werden Fantasie-Daten eintragen. In manchen Fällen wird ein Prakti aufgefordert, einen Download zu tätigen – in solchen Fällen landen die jeweiligen User in Segmenten, die in Marketing und Vertrieb wenig Aufruhr sorgen – obwohl im konkreten Fall wertvolle Kontakte dahinter stehen könnten. Dies ist zugegebenerweise abhängig vom jeweiligen Unternehmensziel und der Branche (B2B/B2C).
Segmente
Um Inhalte maßzuschneidern, müssen wir zunächst festlegen, wie wir Website-Besucher identifizieren wollen, die personalisierten Content sehen sollen.
Wir erreichen dies durch Besuchersegmentierung, d.h. indem wir unser Publikum in verschiedene Gruppen einteilen. Und zwar auf der Grundlage, der Daten, die wir zur Verfügung haben. Ganz zu Beginn sind das nicht allzu viele.
Bei der Echtzeit-Personalisierung basieren die Segmente in der Regel auf Kriterien, die entweder automatisch erkannt oder aus zuvor gesammelten Benutzerdaten ermittelt werden können. Dabei helfen die oben erwähnten Personalisierungs-Plattformen.
Achtung: Die Konzeption nehmen uns auch die mächtigsten Personalisierungstools – das muss man immer wieder sagen – ebensowenig ab, wie die tatsächliche Erstellung des Contents.
Es gibt verschiedene Arten von Daten (oder Kriterien), die Sie zur Segmentierung Ihres Publikums verwenden können: Beispielsweise demographische, geographische Kriterien oder Session Attributes, die zum Beispiel über die IP oder über ausgefüllte Formulare auf der Website zusammengetragen werden. Außerdem können wir per ‘regelbasierter’ Personalisierung nach vordefinierten If-Then-Regeln ebenso Segmente bilden. Idealerweise kommt beides zusammen. Die effektivsten Personalisierungsstrategien kombinieren sowohl beide Arten von Daten, um die Benutzererfahrung zu optimieren. Ein Beispiel:
Ein Großhandel für Baustoffe mit einer regionalen Vertriebs- und Filialstruktur könnte die Website-User im ersten Schritt nach Regionen zuordnen und entsprechende, lokalisierte Inhalte auf der Startseite ausspielen, beispielsweise Header-Bilder, die die User-Region abbilden und so einen lokalen Bezug herstellen. Im zweiten Schritt wird der Klickpfad des Users ausgewertet: Interessiert sich der User eher für Zementmischungen oder für den Bereich Gartenbau? Der User könnte anschließend einem Segment für die Region und einem weiteren Segment für das Interesse zugeordnet werden. Die Schnittmenge sorgt dann, regelbasiert, dafür, dass bei einem erneuten Besuch des Users die Startseite anders aussieht: Sie zeigt nun den Header für die User-Region und außerdem werden die User-Interessen besonders hervorgehoben, beispielsweise, indem Zementmischungen nun eine prominentere Stelle im Menü gerückt sind. Das E-Mail-Marketing-Tool übernimmt anhand dieser Segmente die Mail-Ansprache mit.
Eine so geschaffene Segmentierung unterstützt im selben Abwasch das gezielte Ausspielen von Suchmaschinenwerbung (dem Re-Targeting).
Personalisierter Content
Bei der Personalisierung werden Inhalte auf einzelne Besucher zugeschnitten, um für sie die Relevanz zu erhöhen.
Damit jedoch ein digitales Erlebnis in Echtzeit personalisiert werden kann, müssen gezielte Variationen Ihrer Inhalte vorab geschrieben und einem oder mehreren Besuchersegmenten intelligent zugeordnet werden.
Die Anzahl der benötigten Variationen und die für jeden Kanal erforderlichen Inhaltsformate werden von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein, aber unabhängig vom Umfang des Projekts läuft alles auf eine einfache Wahrheit hinaus:
Eine Personalisierungslösung kann nur dann effektiv sein, wenn sie Inhalte bietet, die die Besucher wirklich ansprechen. Mit anderen Worten: Eine effektive Personalisierung erfordert richtig gute Inhalte.
Womit wir wieder bei den oben bereits erwähnten Punkten sind:
Keine Personalisierungsplattform nimmt einem die Arbeit am Content ab – und für wen welche Inhalte großartig sind erfordert ein Verständnis vom Zusammenspiel von Kommunikation und Marketing im Allgemeinen und von einer entsprechenden Strategie im Speziellen.
Irgendeine Möglichkeit, den Erfolg (versuchen wir’s neutral: das Eintreffen der Hypothese) zu messen.
Bei der Implementierung der Content-Personalisierung ist es meist ratsam, mit kleinen Änderungen zu beginnen, die sich leicht messen lassen. So können wir bei jeder vorgenommenen Änderung verfolgen, wie der neue Inhalt den Kunden dient (oder eben nicht). Sind die Benutzer engagierter geworden, oder sind sie verwirrt?
Metriken und Messungen sind der Schlüssel zum Verständnis der Ergebnisse der Personalisierungsstrategie.
Personalisierungsinitiativen beinhalten daher also oft das Experimentieren mit maßgeschneiderten Inhalten und Botschaften. Und nicht jedes Experiment liefert die von Ihnen gewünschten Ergebnisse.
Personalisierung ist insofern im Wesentlichen ein Prozess zur Optimierung der User Experience, und wie bei jedem Optimierungsprozess ist es entscheidend, die Ergebnisse effektiv messen und mit früheren Daten vergleichen zu können. Woher wissen Sie sonst, ob sich die Investition bezahlt macht?
Um also eine Messbarkeit für unsere Personalisierungsstrategie zu entwickeln, könnten wir diese fünf Schritte befolgen:
1. Benchmarks aufstellen
Wie können wir die Konversionsraten von Websites verbessern, wenn wir die aktuelle Konversionsrate nicht kennen? Betrachten wir also ein paar Grundlinien, Ausgangspunkte, von denen aus wir unseren Optimierungsprozess beginnen. Für den Fall, dass wir ganz vorn beginnen (dieser Fall kommt ziemlich oft vor!), also überhaupt keine historischen Daten haben, auf denen wir irgendwas fußen können, versuchen wir uns an einer Schätzung.
2. Metriken / KPIs
Wir definieren ein paar KPIs, also Messstandards, nach denen die Leistung unserer Personalisierungskampagne bewertet wird. Nützliche Metriken sind quantifizierbar und nicht subjektiv, beispielsweise die Conversion Rate, die durchschnittliche Dauer des Besuchs, die durchschnittliche Anzahl der Seiten, die je Besuch angeschaut werden, das Verhältnis von Website Traffic zu Leads usw. Je nachdem, was wir mit unserer Website bezwecken und welche Nutzerführung unsere Web-Strategie ganz allgemein vorsieht bzw. welche Hypothesen wir Eingangs aufgestellt haben, werden sich logischerweise auch die KPIs ein bisschen unterscheiden.
3. Messen
Damit unsere KPIs überhaupt nützlich sind, ist es wichtig, konsistent zu messen. Schließlich wollen wir die Ergebnisse segmentübergreifend und im Zeitverlauf vergleichen. Wir betrachten also regelmäßig dieselben Reports für dieselben Stellen.
4. Fokussieren
Es ist ziemlich leicht, von Daten und Analysen überfordert zu werden: Google Analytics beispielsweise bietet über 70 verschiedene Reports, von denen nicht alle für uns von Bedeutung sind. Die Lösung liegt oft darin, im Vornherein zu definieren, welche Daten uns wichtig sind – die zeigen wir uns auf einem Dashboard an. Den Rest ignorieren wir erstmal.
5. Analytics und Personalisierung zusammenführen
Die meisten Personalisierungslösungen fußen auf der Verwendung einer spezialisierten Plattform, z.B. Acquia Lift, Optimizely oder Evergage.
Um ein klares Bild von der Leistung einer Personalisierungskampagne zu erhalten, müssen Sie oft Metriken, die in Ihrer Website-Analyseplattform (z. B. Google Analytics) erfasst werden, mit Metriken kombinieren, die von Ihrer Personalisierungsplattform erfasst werden. Eine bewährte Vorgehensweise ist die Integration dieser beiden Systeme, wo immer dies möglich ist. So können wir schließlich unsere Besucher mit den jeweiligen Personalisierungsexperimenten und -segmenten in Verbindung zu bringen – so finden wir schließlich heraus, welche Personalisierungsmethoden bei unserem Publikum am besten geeignet sind.
Ein bisschen Content-Aufwand und Geduld. Und das Bewusstsein, was das bedeutet.
Eine Personalisierungsstrategie ist nicht etwas, das man einfach irgendwie festlegt und laufen lässt. Sobald wir unsere Personalisierungsmaschine eingerichtet haben, beginnt die eigentliche Arbeit.
Bei der Personalisierung in Echtzeit geht es um kontinuierliche Verbesserung. Sie umfasst einen iterativen Prozess der Definition eines klaren Ziels, der Aufstellung einer Hypothese, wie dieses Ziel erreicht werden kann, der Konfiguration von Segmentierungs- und Zielkriterien, der Durchführung eines Experiments, der Messung von Ergebnissen und der Wiederholung mit neuen Erkenntnissen.
Heutzutage sind Kundendaten in vielen Systemen vorhanden, darunter Plattformen zur Marketingautomatisierung, Ad-Netzwerke, Data Warehouses, Callcenter, CRM-Datenbanken, soziale Profile, Support-Portale und Analyseplattformen. Die umfassendsten Personalisierungsstrategien beziehen Informationen aus allen verfügbaren Quellen ein, um Marketingexperten einen vollständigen Überblick über einen Kunden zu bieten.
Letztendlich ist das Web und das globale digitale Ökosystem das am besten messbare Medium in der Geschichte der Menschheit.
Fazit: Personalisierung lohnt sich ...
... und macht eine Menge Arbeit. Zauberei ist’s aber nicht.
Das Web und das globale digitale Ökosystem das am besten messbare Medium in der Geschichte der Menschheit? Ok ... also gilt für uns als Marketer: Die Menge der erfassten Daten kann enorm sein.
Der oft daraus abgeleitete Schluss, wer die “360°-Ansicht” seines Kunden habe, habe automatisch gewonnen, ist allerdings ein Fehlschluss. Es gilt, noch so ein Gemeinplatz: die Daten klug zu nutzen. Web-Personalisierung kann eine solche kluge Datennutzung sein. Wenn sie gut gemacht ist.
Wer sich der Hoffnung hingibt, dass moderne Technologie Personalisierung selbstständig übernimmt, wird enttäuscht werden. Denn das Gegenteil ist erstmal der Fall: Der Einsatz von Personalisierung schafft erstmal einen Mehraufwand. Nutzerbedürfnisse müssen analysiert werden, Zielgruppen identifiziert, zu erstellender Content zugeordnet und ausgerichtet werden und schließlich müssen die Content-Teile selbst geschaffen werden. Möglicherweise für viele Segmente.
Aber: Der Aufwand kann sich lohnen – für alle Unternehmen, bei denen Website-Conversions (das kann ein Shop-Kauf sein, aber auch das Herunterladen einer Produktbroschüre oder u.U. eines Whitepapers) ein wichtiger Geschäftstreiber sind, sollte Personalisierung auf der Agenda stehen.